Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) prägt die arbeitsmarktpolitische Debatte mit klaren Positionen. Im Fokus stehen tarifliche Gestaltung, soziale Sicherung, Mitbestimmung, Weiterbildung, Digitalisierung und faire Löhne. Der Beitrag bündelt zentrale Statements, ordnet sie in aktuelle Reformprozesse ein und zeigt Konfliktlinien zwischen Sozialpartnern und Politik.
Inhalte
- Tarifbindung gezielt stärken
- Mindestlohn real erhöhen
- Weiterbildung offensiv fördern
- Mitbestimmung digital ausbauen
- Fachkräfte durch Migration
Tarifbindung gezielt stärken
Tarifflucht, Lohndumping und die Zersplitterung von Liefer- und Dienstleistungsketten schwächen die kollektive Regelungskraft in weiten Teilen des Arbeitsmarkts. Der DGB setzt auf einen verbindlichen Ordnungsrahmen, der Unternehmen belohnt, die sich an Tarifverträge halten, und Wettbewerbsnachteile für faire Betriebe beseitigt. Priorität haben eine bundesweite Tariftreue in der öffentlichen Auftragsvergabe, ein erleichtertes Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Branchentarifverträgen sowie die Stärkung von Mitbestimmung und Kontrollen. Ziel ist ein belastbares Netz aus Tarifstandards, das Produktivität und Einkommen koppelt, Lohnungleichheit abbaut und die sozial-ökologische Transformation planbar macht.
- Bundesweites Tariftreuegesetz: Öffentliche Aufträge nur an tarifgebundene Betriebe; wirkungsvolle Nachweise und Sanktionen.
- AVE vereinfachen: Absenkung rechtlicher Hürden und zügige Verfahren, wenn öffentliches Interesse besteht.
- Mitbestimmung ausbauen: Leichtere Betriebsratsgründungen, Schutz vor Behinderung, digitale Zugangsrechte der Gewerkschaften.
- OT-Mitgliedschaften begrenzen: Fehlanreize in Arbeitgeberverbänden reduzieren, Tarifflucht erschweren.
- Tarifregister & Transparenz: Verlässliche Datenbasis für Kontrolle, Forschung und zielgenaue Politik.
- Staatliche Kontrollen stärken: Mehr Ressourcen für FKS und Länderbehörden; wirksame Bußgelder bei Verstößen.
- Förderlogik anpassen: Steuerliche Begünstigungen und Investitionshilfen an Tarifbindung koppeln.
- Branchenfokus: Pflege, Einzelhandel, Logistik, Gastronomie und Plattformarbeit durch Branchentarifverträge stabilisieren.
| Instrument | Kurzbegründung | Zuständigkeit |
|---|---|---|
| Tariftreue bei Vergaben | Steuergeld fördert fairen Wettbewerb | Bund/Länder |
| AVE erleichtern | Tarifstandards breit verankern | Bund |
| Mitbestimmung stärken | Betrieblicher Zugang zu Tarifbindung | Bund |
| Kontrollen & Sanktionen | Rechtsdurchsetzung sichern | Bund/Länder |
| Transparenz & Register | Monitoring und Evidenz schaffen | Bund |
Höhere Tarifbindung stabilisiert die Kaufkraft, reduziert Aufstockungsbedarfe, fördert Standards in Weiterbildung und sichert Fachkräfte über attraktive Arbeitsbedingungen. Flankierend braucht es branchenspezifische Fahrpläne mit messbaren Indikatoren (Tarifquote, Lohnspreizung, Betriebsratsdichte), regionale Schwerpunkte insbesondere in Ostdeutschland sowie eine kohärente Förderpolitik, die öffentliche Mittel konsequent an Tarifverträge, Gleichstellung und Arbeits- und Gesundheitsschutz bindet.
Mindestlohn real erhöhen
Preissteigerungen und Produktivitätszuwächse erfordern eine Anpassung des Lohnuntergrenzniveaus, damit Kaufkraft gesichert und Lohndumping verhindert wird. Gefordert wird eine regelgebundene Anhebung auf mindestens 60 Prozent des Medianlohns gemäß EU-Richtlinie zu angemessenen Mindestlöhnen, ergänzt um eine jährliche Inflationsnachholung. Die Mindestlohnkommission soll ein verbindliches Mandat erhalten, sich an Inflation, Medianlohn, Produktivität und Tarifentwicklung zu orientieren, politische Ad-hoc-Entscheidungen zu vermeiden und Tariferhöhungen nicht zu unterlaufen. Für Auszubildende, Branchen mit hohen Zuschlagsanteilen sowie Plattform- und Subunternehmerketten sind klare Klarstellungen nötig: Zuschläge, Trinkgelder und Sachleistungen dürfen die Lohnuntergrenze nicht ersetzen.
Wirksamkeit entsteht erst durch Durchsetzung: flächendeckende Arbeitszeitaufzeichnung, gestärkte Finanzkontrolle Schwarzarbeit, höhere Bußgelder bei systematischer Unterschreitung, sowie die Verknüpfung öffentlicher Aufträge mit Tariftreue und Mindestlohn-Compliance. Notwendig sind zudem branchenspezifische Ergänzungstarife über dem gesetzlichen Minimum, eine Entkopplung der Minijob-Grenze von Mindestlohnanhebungen, sowie transparente Unterkunfts- und Verpflegungskostenregelungen für mobile Beschäftigte. Ziel ist ein Mindestlohn, der reale Lebenshaltungskosten abdeckt, Tarifbindung stärkt und Wettbewerbsfähigkeit über faire Produktivität statt über niedrige Löhne definiert.
- Zielpfad: stufenweise auf 60 % des Medianlohns in 2-3 Jahren
- Indexierung: jährliche Inflationsnachholung plus Produktivitätsfaktor
- Durchsetzung: digitale Zeiterfassung, FKS-Ausbau, höhere Sanktionen
- Tarifbindung: erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung, Tariftreue bei Vergaben
- Klarstellung: Zuschläge/Trinkgelder nicht anrechenbar, Kettenhaftung im Subcontracting
- Sozialpolitik: Minijob-Grenze statisch, keine Ausweichanreize in prekäre Jobs
| Maßstab | Zielwert | Begründung |
|---|---|---|
| Medianlohn-Quote | ≥ 60 % | Angemessenheit nach EU-Standard |
| Inflationsausgleich | jährlich | Kaufkraft sichern |
| Produktivität | +0,5-1,0 %-Pkt. | Teilhabe am Wachstum |
| Kontrolle | FKS +25 % Stellen | Wirksame Durchsetzung |
Weiterbildung offensiv fördern
Weiterbildung wird als Kernbaustein von Beschäftigungssicherheit und Produktivität positioniert: gefordert werden ein gesetzlicher Anspruch auf bezahlte Bildungszeit, paritätisch verwaltete Qualifizierungsfonds in Branchen, sowie eine verlässliche öffentliche Kofinanzierung für Betriebe und Beschäftigte – insbesondere in KMU. Betriebsräte sollen mitbestimmte Qualifizierungspläne verankern, Beratung und Matching durch die BA ausbauen und Abschlussorientierung sichern. Im Fokus stehen digitale, grüne und soziale Kompetenzen, der Abbau von Hürden für Geringqualifizierte und Migrantinnen/Migranten sowie die Anerkennung modularer Abschlüsse (Micro-Credentials) in Tarif- und Betriebsvereinbarungen.
- Bezahlte Bildungszeit mit Lohnersatz und Rechtsanspruch
- Branchenfonds für Weiterbildung, paritätisch gesteuert
- Bildungsteilzeit über Arbeitszeit- und Lernzeitkonten
- Transformations-Kurzarbeit mit verpflichtender Qualifizierung
- Tarifliche Anerkennung von Micro-Credentials
- Regionale Transformationszentren für Beratung und Vernetzung
| Instrument | Ziel | Finanzierung |
|---|---|---|
| Bezahlte Bildungszeit | Zeit & Einkommen sichern | Arbeitgeber + Staat |
| Branchenfonds | Skalierbare Angebote | Umlage paritätisch |
| Transformations-BAföG | Abschlussorientierung | Bundesmittel |
| Transformationszentren | Beratung & Matching | Länder/ESF |
| Lernzeitkonten | Planbare Qualifizierung | Betrieblich |
Für Wirksamkeit braucht es Qualitätsstandards, transparente Bildungsmonitoring-Systeme und eine Verzahnung mit Anerkennung ausländischer Qualifikationen sowie Fachkräfteeinwanderung. Vorgeschlagen werden ein nationaler Rahmen für Kompetenzportabilität, interoperable Open-Source-Lernplattformen, gezielte Steueranreize an Tarifbindung geknüpft und eine verpflichtende Wirkungsevaluation öffentlicher Programme. So wird eine verlässliche Infrastruktur geschaffen, die Beschäftigte im Wandel hält, Betriebe innovativer macht und regionale Wertschöpfung stärkt.
Mitbestimmung digital ausbauen
Gefordert wird eine Aktualisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen, damit betriebliche Beteiligungsrechte auch dort greifen, wo Arbeit über Apps, Clouds und KI-Systeme organisiert wird. Im Fokus stehen Transparenzpflichten für algorithmisches Management, verbindliche Informationsrechte zu Datenflüssen sowie sichere, barrierefreie Kommunikationskanäle für Betriebsräte und Gewerkschaften. Hybride und elektronische Wahl- und Beschlussverfahren werden rechtssicher ermöglicht, flankiert von hohen Sicherheitsstandards, wirksamer Aufsicht und klaren Verantwortlichkeiten in der Plattformökonomie.
- Algorithmische Entscheidungen offenlegen: Erklärbarkeit, Audit-Möglichkeiten und Mitbestimmung bei KI-Einführung.
- Hybride Betriebsratswahlen ermöglichen: Digitale und Präsenzverfahren kombinieren, rechtssicher und inklusiv.
- Digitale Zugangsrechte für Gewerkschaften: Zugang zu betrieblichen Kommunikationskanälen, inkl. Remote-Belegschaften.
- Datenschutz und Mitbestimmung verzahnen: Betriebsvereinbarungen zu Datenminimierung, Profiling und Monitoring.
- Qualifizierung ausbauen: Fortbildungsansprüche zu Datenkompetenz, KI-Grundlagen und IT-Sicherheit.
Konkret werden verbindliche Standards für technische Systeme in der Arbeitssteuerung, ein starker Rechtsrahmen für virtuelle Betriebsratsarbeit sowie kollektivvertragliche Leitplanken für Daten- und KI-Nutzung vorgeschlagen. Ziel ist ein verlässlicher Ordnungsrahmen, der Innovationsfähigkeit mit Beschäftigtenrechten verbindet, Mitgestaltung auf Distanz ermöglicht und betriebliche Demokratie auch in verteilten, datengetriebenen Strukturen absichert.
| Instrument | Ziel |
|---|---|
| Transparenz-Dashboard | Nachvollziehbare KPIs und Algorithmen |
| Betriebsrats-Cloud | Sicherer Austausch und Beschlüsse |
| Digitale Sprechstunden | Niedrige Beteiligungshürden |
| KI-Folgencheck | Risiken früh erkennen |
| Daten-Rahmenvereinbarung | Klare Regeln zu Nutzung und Schutz |
Fachkräfte durch Migration
Gezielte Zuwanderung kann die Qualifizierungs- und Ausbildungsoffensive sinnvoll ergänzen, ersetzt sie aber nicht. Maßstab sind Gleichbehandlung ab dem ersten Arbeitstag, Tarifbindung und wirksame Kontrollen gegen Ausbeutung. Anerkennungsverfahren müssen schneller, transparenter und gebührenarm werden, mit verbindlichen Fristen und digitaler Verfahrensführung. Notwendig sind ausreichend Personal in Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden, berufsbezogene Sprachförderung sowie bezahlbarer Wohnraum. Flankierend braucht es unabhängige Beratung – etwa durch gewerkschaftsnahe Servicestellen – damit Rechte auf Mindestlohn, Arbeitszeit, Gesundheitsschutz und Mitbestimmung durchgesetzt werden können.
- Faire Anwerbung nach dem Prinzip: Arbeitgeber tragen sämtliche Rekrutierungs- und Visakosten.
- Qualifikationsanerkennung mit Teilanerkennung, Nachqualifizierung und verbindlichen Standards.
- Sichere Aufenthaltstitel mit Wechselmöglichkeiten und kurzer Frist bei Arbeitsplatzverlust.
- Familiennachzug und Integrationsangebote als Bestandteil nachhaltiger Fachkräftesicherung.
- EU-weite Durchsetzung von Equal Pay, Entsende- und Mindestlohnregeln, einschließlich Kontrollen der Lieferketten.
Rekrutierung muss sozialverträglich gestaltet sein: ethische Standards verhindern Abwerbung aus Mangelberufen in Herkunftsländern; bilaterale Abkommen brauchen Mitbestimmung der Sozialpartner, Ausbildungskooperationen und Rückkehroptionen. Für zentrale Sektoren – Pflege, Bau, Logistik, IT, Industrie – gelten Tarif- und Branchenmindestlöhne ohne Ausnahme. Nötig sind zugelassene Vermittler mit Haftung, Sanktionen bei Gebührenforderungen sowie Portabilität von Renten- und Versicherungsansprüchen. Datenbasierte Engpassanalysen, eine One-Stop-Struktur für Verfahren und Beratung sowie der Ausbau öffentlicher Infrastruktur sichern nachhaltige Integration am Arbeitsmarkt und im Alltag.
| Instrument | Gewerkschaftliche Position | Ziel |
|---|---|---|
| Anerkennung | Fristen, Teilanerkennung, Nachqualifizierung | Schneller Einstieg |
| Rekrutierung | Employer-pays, geprüfte Vermittler | Schutz vor Gebühren |
| Arbeitsbedingungen | Equal Pay, Tarifbindung, Kontrollen | Faire Löhne |
| Aufenthalt | Wechselrecht, Familiennachzug | Planungssicherheit |
Was sind die Kernanliegen des DGB in der Arbeitsmarktpolitik?
Der DGB betont starke Tarifbindung, existenzsichernde Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Prioritäten sind Mitbestimmung, Qualifizierung in der Transformation, sichere Beschäftigung sowie verlässlicher sozialer Schutz vor Armut und Prekarität.
Welche Position vertritt der DGB zu Mindestlohn und Tarifbindung?
Zum Mindestlohn verlangt der DGB eine verlässliche Erhöhung durch eine gestärkte, unabhängige Kommission und Tariftreue in öffentlichen Aufträgen. Ziel ist, Löhne zu heben, Dumping zu verhindern und flächendeckende Tarifbindung auszubauen.
Wie steht der DGB zur Arbeitszeitgestaltung und Flexibilität?
Der DGB setzt auf Arbeitszeitsouveränität mit klaren Grenzen: planbare Arbeitszeiten, mehr Mitbestimmung und Recht auf Nichterreichbarkeit. Flexibilität soll durch Tarifverträge geregelt werden, Überstunden begrenzt, Gesundheit geschützt.
Welche Maßnahmen fordert der DGB für Fachkräftesicherung und Weiterbildung?
Für die Fachkräftesicherung fordert der DGB eine öffentliche Weiterbildungsoffensive, tariflich abgesicherte Bildungszeiten und faire Migration. Betriebe sollen ausbilden, Qualifizierung in Kurzarbeit stärken und Anerkennung ausländischer Abschlüsse erleichtern.
Was fordert der DGB in Digitalisierung und ökologischer Transformation?
Bei Digitalisierung und Klimawende verlangt der DGB Investitionen, Tarifbindung in neuen Branchen und Standortpolitik mit Beschäftigungsgarantien. Strenge Daten- und Plattformregulierung soll Mitbestimmung sichern, Qualifizierung soziale Spaltungen verhindern.

